Voller Saal beim Inselgespräch zum Thema Kulturkanal

Das Podium v. Li. :Falko Droßmann, Egbert Rühl, Michael Weinreich, Gabriele Dobusch, Marco Antonio Rayes Loredo
Das Podium v. Li. :Falko Droßmann, Egbert Rühl, Michael Weinreich, Gabriele Dobusch, Marco Antonio Rayes Loredo

In der Reihe "Inselgespräch" zum Thema "Wie geht es weiter mit dem Kulturkanal?" waren der Leiter des Bezirksamts Hamburg Mitte, die Vorsitzende des Kulturausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, der Geschäftsführer der Hamburg Kreativgesellschaft GmbH und der Geschäftsführer der Hirn und Wanst GmbH von den Zinnwerken auf dem Podium. Der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich (SPD), übernahm als Gastgeber die Moderation. Rund 50 Gäste verfolgten mit großem Interesse das Gespräch und nahmen intensiv an der Diskussion teil.

 

 

Einig war man sich, dass das gesamte Gebiet große Potentiale für die Kultur- und Kreativwirtschaft biete. Es gebe viele Ideen aber auch einen sehr hohen Investitionsbedarf. „Stadtentwicklung ohne Kultur kann es nicht geben“ betonte der Bezirksamtsleiter Falko Drossmann. Allerdings müssten noch die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Noch sei nicht klar, wer den Takt vorgibt: Bezirksamt oder die Landesebene? Der Bezirk könne die Moderation nur übernehmen, wenn Hilfe in Form von Stellen und Geld aus dem Rathaus komme. Alle warten auf die Zahlen und Fakten der bezirklichen Studie. Wie hoch sind die Sanierungsbedarfe? Wie sind die genauen Eigentumsverhältnisse? Welche Restriktionen gibt es? Erst wenn diese konkreten Ergebnisse vorliegen, können Entscheidungen getroffen werden. Zurzeit stellen 20 behördliche Vertreter den Sachstand in einer Steuerungsgruppe fest, die er leite. Nach der Sommerpause könne er schon Teilergebnisse vorstellen. Er komme dann gern nach Wilhelmsburg in den Regionalausschuss oder den Stadtteilbeirat.

 

 

Die Hamburg Kreativgesellschaft habe von der Sprinkenhof die Zinnwerkhallen am Veringhof 7 temporär angemietet um mit Experimentierräumen Impulse zu geben. „Wir haben nicht mit solch einem erheblichen Bau- und Sicherheitsaufwand gerechnet, um die Hallen überhaupt weiter temporär nutzen zu können“ sagte Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativgesellschaft. Schlechte Bausubstanz und fehlender Brandschutz gefährden zurzeit Leib und Leben von Menschen bei öffentlichen Veranstaltungen. In die mittlere Halle passen 1.000 Menschen. Diese hätten bei einem Brand keine Chance, dem Feuer durch die einzige kleine Tür zu entkommen. Man warte auf die Zahlen vom Bezirksamt. Sollte die Investition für den langfristigen Erhalt der Zinnwerkhallen viel zu hoch sein, dann lohne sich auch die temporäre Ertüchtigung nicht mehr. Man brauche das eindeutige Bekenntnis von der Stadt Hamburg, den Kulturkanal entwickeln zu wollen und man brauche das Geld dafür. Die Kreativgesellschaft habe keine eigenen Mittel für Investitionen.

 

 

Gabriele Dobusch, Vorsitzende des Kulturausschusses in der Hamburger Bürgerschaft zitierte aus dem Rahmenkonzept „Hamburgs Sprung über die Elbe“. Hier bekenne sich die Hamburgische Bürgerschaft eindeutig zur Förderung der Kreativwirtschaft am Veringkanal. Daran gelte es anzuknüpfen. Sie schilderte, wie man in Altona gerade die denkmalgeschützte Viktoria Kaserne sehr günstig an die Kulturschaffenden verkauft habe. Diese renovieren jetzt das marode Gebäude denkmalgerecht selbst und schaffen sich so einen Ort, der langfristig als Kulturort mit bezahlbaren Gewerbe- und Atelierflächen sowie Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen erhalten bleibt. Der Senat gibt 400.000,- € dazu. Dazu hatte sich allerdings unter den 140 Künstlern eine Arbeitsgruppe gefunden, die einen Finanzierungplan ausarbeitete und eine Genossenschaft gründete.

 

 

Marco Antonio Rayes Loredo, Geschäftsführer der Hirn und Wanst GmbH in den Zinnwerken und Kulturanthropologe, stellte die Frage: „Was ist der „Kulturkanal?“ Seiner Ansicht nach gehörten alle Anrainer am Veringkanal dazu: „Wir wollen das Gebiet gemeinsam entwickeln. Kultur schließt Betriebe und Arbeitsplätze nicht aus. Jede Fläche hat ihre eigene Geschichte. Der jetzige Schwebezustand in der Grundstücksfrage ist allerdings unglaublich schwierig mit einer Kreativfirma“ so Loredo weiter. Man habe sich 2014 mit rund 50 Anrainern in den Zinnwerken getroffen, um gemeinsame Ideen zu entwickeln. Darunter waren auch das Krankenhaus Groß Sand, die Fa. Hellmann, die Moscheegemeinde, Betriebe, Kreative, NOW und Dockville gewesen. Daran gelte es anzuknüpfen. Der größte Anrainer sei übrigens der Bezirk.

 

 

Michael Weinreich bedankte sich zum Schluss bei seinen Gästen und betonte, dass er sich als Wilhelmsburger Wahlkreisabgeordneter dafür einsetzen werde, dass es mit der Entwicklung des Kulturkanals voran geht. Er warte gespannt auf den versprochenen Besuch des Bezirksamtsleiters nach der Sommerpause.

 

 

 

 

 

Zum Hintergrund:

 

Geschichte des Veringkanals in Wilhelmsburg

 

1890 hatte der Bauunternehmer Hermann Vering im Wilhelmsburger Nordwesten 250 Hektar sumpfiges Elbinsel-Gelände gekauft und um drei Meter aufschütten lassen. Er schuf damit Nutzfläche für Wohnungsbau und Industrieansiedlung. Für Warentransporte der Industrie zum Hafen ließ er 1894 einen Kanal anlegen, den Veringkanal. Inzwischen spielt die Industrie am Kanal keine Hauptrolle mehr. Aufgrund des Strukturwandels gaben viele Betriebe auf oder gingen in Konkurs. Die Nordischen Ölwerke waren der letzte gewerbliche Nutzer des Kanals. Seit den 1990er Jahren fahren hier nur noch Freizeitschiffer. 2006 ließ die Kanalgenossenschaft die denkmalgeschützte Schleuse aufwendig sanieren. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) steuerte 550.000 € dazu bei und baute auch neue Spazierwege entlang des Wassers. Das östliche Ufer wurde 2006 über ein EU-Projekt mit 1,5 Millionen € als öffentlicher Grünzug und Zugang zum Wasser mit Sanitaspark, Steg, interkulturellen Gärten und einer Brücke über den Veringkanal entwickelt. Inzwischen ist am Kanal eine bunte Nachbarschaft aus Kultur, Kreativwirtschaft, Gewerbe und Industrie gewachsen.

 

Wie geht es weiter am Veringkanal in Wilhelmsburg?

 

Nach der großen Aufregung um den „Opernfundus“ 2013 kam der Stillstand: Als Folge des Streits um den Erhalt der Zinnwerke  und der Soul-Kitchen-Halle am Veringkanal in Wilhelmsburg hatte der Bezirk Hamburg-Mitte Pläne für die Zukunft des Standortes entwickelt. Mit einem sogenannten Kulturkanal sollte das bereits vorhandene Potential an Kreativwirtschaft und Künstlern gefördert werden. Eine entsprechende Potentialanalyse wurde der Bezirksversammlung Ende 2013 vorgelegt. Bis jetzt werden laut Auskunft des Bezirksamtes unter dem Stichwort ‚Kulturkanal‘ bestehende Realnutzungen und Rahmenbedingungen zur Förderung der Kultur und Kreativwirtschaft im Umfeld des Veringkanals geklärt. Weiter heißt es seit 2013 von der Bezirksverwaltung, dass auf bezirklicher Ebene dazu kontinuierlich Gesprächsrunden mit den maßgeblichen jeweiligen Akteuren unter Einbindung der relevanten Fachbehörden und Eigentümer geführt werden. Auf politischer Ebene beschließt die Bürgerschaft 2014 das Rahmenkonzept „Hamburgs Sprung über die Elbe - Zukunftsbild 2013+“. Hier wird ausdrücklich die Kreativwirtschaft am Veringkanal erwähnt, die es zu fördern gelte. Wie die Förderung aussehen soll, ist noch nicht geklärt. „Die Koalition unterstützt die Weiterentwicklung des Kulturkanals am Veringkanal“, steht im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Unklar bleibt aber, wie das im Einzelnen geschehen soll.

 

Ohne konkrete Pläne ist die Lage der Kreativszene vor Ort unsicher. Langfristige Investitionen sind nicht möglich. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wünscht sich deshalb von der Politik klare Leitlinien, die festlegen wie es weitergehen soll.

 

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