Geschichte des Kleinen Grasbrooks

Geschichte des Kleinen Grasbrooks

 

Am vergangenen Samstag, dem 13. April, luden die Jusos Veddel und Michael Weinreich zu einem Rundgang über den kleinen Grasbrook ein, begleitet von Margret Markert von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg. Der Kleine Grasbrook steht kurz vor einem großen Wandel in seiner Geschichte: aus dem unbewohnten Hafengebiet soll ab 2024 eine neue Wohngegend entstehen. Der Rundgang blickte deswegen zurück auf viele Jahre reiche Hafenvergangenheit.

Im 14. Jahrhundert wurde die eingedeichte Elbinsel Gorieswerder durch mehrere Sturmfluten geteilt, wodurch die Elbinseln Peute, Kleine und Große Veddel, Moorwerder und Grasbrook entstanden. Der Grasbrook war nach diesem Zeitpunkt hauptsächlich Viehweide, im Westen der Elbinsel gab es jedoch einen Richtplatz auf dem Seeräuber, unter denen der berühmte Klaus Störtebeker, hingerichtet wurden. Bei Bebauungen wurden 1878 sogar zwei Schädel gefunden, welche zur Abschreckung auf Nägeln aufgespießt worden – vielleicht gehörte sogar einer von ihnen dem legendären Störtebeker.

Durch den Grasbrook wurde 1594 ein Graben gezogen, um die Norderelbe zum Elbhauptstrom zu machen, wodurch der Große Grasbrook– heute HafenCity genannt - und der kleine Grasbrook entstanden. In den ersten Jahren war der Kleine Grasbrook beinahe unbewohnbar, da jede größere Flut diesen überschwemmte und mit der Zeit wanderte die Elbinsel weiter in den Süden der Norderelbe. Erst im 19. Jahrhundert erkannte man das Potential in der Insel, da der Platz nördlich der Elbe allmählich knapp wurde. Somit wird der Kleine Grasbrook ab 1838 in die Hafenerweiterung einbezogen und bebaut, wurde 1871 Vorort und schließlich 1894 Stadtteil Hamburgs.

Die ältesten noch erhaltenen Gebäude auf dem Kleinen Grasbrook sind die sogenannten 50er Schuppen am Hansahafen. Die Kaischuppen 50, 51 und 52 sind zwischen 1909 und 1912 erbaut wurden und sind beispielhaft für die Hafenarchitektur der Kaiserzeit. Heute findet man dort das Hafenmuseum und der Schuppen 52 kann als Veranstaltungsort gemietet werden – früher waren die 50er Schuppen jedoch typische Umschlagsgebäude mitsamt Verwaltung für den Hafen. Historische Kräne, Eisenbahnen und der Stückgutfrachter MS Bleichen sind hier noch zu finden. An diesem Ort kann man gut nachempfinden, wie der Umschlag vor der Zeit der Container aussah: An beiden Seiten der Kaizungen befanden sich Schuppen ähnlich der 50er Schuppen, in denen die Fracht sortiert und gelagert wurde. Zwischen den Schuppen und dem Hafenbecken sind Eisenbahngleise zum schnellen Transport von Gütern, welche schließlich durch die Kräne am Rand des Hafenbeckens auf Schuten geladen wurden, die die Fracht schließlich zu den Schiffen brachte.

Der Hamburger Hafen galt als besonders effizienter und schneller Umschlagsplatz. Das lag nicht nur an der oben genannten Dreiteilung der Kaizungen, sondern auch an dem gut ausgebauten Bahnnetz. Züge aus dem Binnenland kamen an dem Haupthafenbahnhof an, die Wagen wurden von dort aus auf die Bezirkshafenbahnhöfe verteilt, wo sie erneut geordnet und auf die entsprechenden Kais zugeteilt wurden. Bis in die Neunziger war die Hafenbahn die größte nicht bundeseigene Bahn Deutschlands und hat heute noch ein über 300 km langes Gleisnetz. Das Gleisfeld auf dem Kleinen Grasbrook, der Hafenbahnhof Hamburg-Süd, zeigt durch seine Größe wie wichtig der Zugverkehr für den Hafen ist und war. 1893 wurden die Gleise an das Staatsbahnnetz angeschlossen, danach gelangten von hier aus Züge schnell nach Wilhelmsburg oder Harburg. Der Bahnhof wurde stetig ausgebaut und erreichte schnell die Grenzen seiner Kapazitäten. Nachdem der Hafen und mit ihm der Hafenbahnhof zu großen Teilen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, wurde der Bahnhof umstrukturiert und zum neuen Haupthafenbahnhof Hamburgs. Selbst nach Stilllegung mehrerer Bezirkshafenbahnhöfe Hamburg bleibt der Hafenbahnhof Hamburg-Süd immer noch einer der wichtigsten Rangierbahnhöfe Hamburgs.

Der Kleine Grasbrook hat seinen Höhepunkt als Hafengebiet hinter sich gelassen. Einige der Hafenbecken wurden im Rahmen der Hafenverkleinerung in den Siebziger bis Neunziger Jahren zugeschüttet. Der Segelschiffhafen und der Südwesthafen sind nur noch in ihren Ansätzen da, den Indiahafen gibt es gar nicht mehr, stattdessen gibt es Lagerhallen und Stellflächen wo einst Wasser war. Die Binnenhäfen – Spreehafen, Saalehafen und Moldauhafen – werden wenig oder gar nicht mehr genutzt. Das Überseezentrum, zu seiner Eröffnung 1967 das größte und modernste Verteilzentrum der Welt, war bereits nach wenigen Jahren nicht mehr ansatzweise ausgelastet. Die Zeit der Containerfracht hatte begonnen, das auf Stückgut ausgelegte Überseezentrum war daher nicht mehr gefragt. Seit einigen Jahren steht es leer und ist inzwischen baufällig. Neben dem Überseezentrum liegt der Moldauhafen - ein Stück Tschechien in Hamburg. Der Versailler Vertrag legte fest, dass 30.000 qm Fläche für 99 Jahre an die Tschechoslowakei verpachtet werden sollten, denn der Weg über die Elbe stellte die am schnellsten schiffbare Verbindung tschechoslowakischer Schiffe auf die Weltmeere dar. Auf dem Gebiet lebten Tschechoslowaken, hatten ihr eigenes Werkschiff und ein Partyboot. Trotz wandelnder politischer Verhältnisse blieb der Vertrag bestehen, nun zwischen Hamburg und Tschechien. Doch die Binnenschifffahrt überlebte den Zusammenbruch des Ostblocks und den zunehmenden Transport per LKW nicht. Die Tschechoslowakische Elbe-Schifffahrtsgesellschaft wurde insolvent, der Pachtvertrag gilt jedoch weiterhin bis 1928 - bis dahin wird der Moldauhafen wahrscheinlich leer bleiben.

Eines der geschichtsträchtigsten Orte auf dem Kleinen Grasbrook und ausschlaggebend für den Rundgang über den Kleinen Grasbrook ist das Lagerhaus G, direkt am viel befahrenen Veddeler Damm. Bekannt ist das Lagerhaus G auch als „Außenlager Dessauer Ufer“, eines der Außenlager des KZ Neuengamme. Margret Markert von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg erzählte hier von den bewegenden Schicksal zweier Gefangener.  Das Außenlager Dessauer Ufer war ab 1944 Zwangsarbeiterlager für 500 Frauen, welche zum Teil nach ihrer Deportation nach Auschwitz für die Zwangsarbeit zurück nach Deutschland gebracht worden. Jeden Tag sind sie von dort zu unterschiedlichen Stellen geschifft worden, um dort Aufräumarbeiten im Hafen und für Mineralölfirmen zu erledigen. Einige Monate später wurden die Frauen in ein anderes Lager gebracht, stattdessen kamen 1500 Männer auf den Kleinen Grasbrook, um ähnliche Aufgaben zu erledigen, 250 von henen kamen bei einem Bombenanschlag ums Leben. Die Zukunft des Lagerhauses G ist ungewiss. Ein Investor kaufte das Gebäude bei einer Zwangsversteigerung, jedoch ist unklar was nun damit passieren soll. Margret Markert hielt zuletzt ein Plädoyer für den Erhalt des Lagerhauses und dessen Erschließung als Gedenkstätte.

 

Bis zur Auflösung des Freihafens war der Kleine Grasbrook umzäunt. Der Freihafen war ein Zollfreies Gebiet, vor dem Betreten oder überqueren des Gebiets musste man sich also Zollkontrollen stellen. 2012 fiel der Zaun, der Wohngebiet und Kleinen Grasbrook trennte, seitdem ist dieser frei zugänglich. Viele Ideen zur Zukunft des Hafengeländes wurden geschmiedet und verworfen: mal sollte die Universität ihren Hauptcampus hierher verlegen, mal sollte hier der Austragungsort der olympischen Spiele sein. Seit 2017 steht jedoch der Plan, den Kleinen Grasbrook als Wohngebiet zu erschließen. In einem im Sommer folgenden Rundgang werden wir uns anschauen, wie die Zukunft des Kleinen Grasbrooks aussehen wird.